Vom Nichtwissen zum Glauben

Lieber Vater,

seit 60 Jahren war ich auf der Suche nach dir. Oft führte meine Annäherung auf falsche Wege. Ich wurde krank im Geiste und musste wieder auf Abstand zu dir gehen. Jetzt mit 61 habe ich das Gefühl, dass ich dich endlich gefunden habe, indem ich meinen Blick auf Jesus richte. Dadurch, dass er Mensch gewordener Gott ist und nicht nur der Vorstellung zugänglich ist, sondern ganz real in unserer Welt gelebt und gehandelt hat, erhoffe ich mir die Bodenhaftung, die ich zu diesem Thema benötige. Im Moment habe ich das Gefühl, dass sich mein Verhalten nicht negativ verändert hat, obwohl du mein Leben bestimmst, wie noch nie. Im Gegenteil, ich fühle mich so ausgeglichen und ruhig, wie vielleicht noch nie. Ich hoffe, das bleibt so. 

Ich merke, wie sich meine Leidenschaft für die Selbsthilfe seelische Gesundheit auf dich transformiert. Ich lese christliche Bücher, beschäftige mich mit Kirchengeschichte und fühle mich trotzdem nicht gefangen auf psychischen Abwegen. Vor allem, weil ich mich nun vollständig zum Christentum bekenne und auch meine Abneigung gegenüber der Bibel wird weniger. Meine selbst errichtete Spiritualität geht über in ein Christsein ohne Wenn und Aber. Das tut mir sehr gut, gibt es mir doch Orientierung und Sicherheit im Glauben. Wie oft habe ich an der Bibel gezweifelt, nicht gewusst, was soll ich glauben und was nicht? Habe Anleihen bei Buddhismus und Fantasie gemacht und hatte dabei nie das Gefühl, dass ich weiß, was ich will. Nun anerkenne ich Jesus als meinen Herrn, Gott als meinen Vater im Himmel und den heiligen Geist als die Kraft an, durch die Gottes Geist in der Welt wirkt. Ich versuche die allumfassende Liebe Gottes zu spüren und ihn zum Ziel der mir maximal möglichen Liebe zu machen. Als die Basis, die mich und mein Handeln bestimmt. Ich verschreibe mich mit meinem ganzen Wesen der Nachfolge Jesu und der Liebe Gottes. 

Aber wie setze ich das in meinem Alltag um?

Das Wichtigste ist, das die Dreieinigkeit jeden Tag ihren Platz in meinem Leben bekommt. Sei es durch das Lesen von christlichen Texten, das Gebet oder durch die schriftliche Begegnung mit ihr. Sie und somit das Göttliche als Ganzes, soll fester Bestandteil meines Alltags werden. So, dass dies zur Gewohnheit wird und sich nicht als Strohfeuer erweist. 

Endlich sehe ich einen sinnvollen Weg meine Fixierung auf die Psychiatrie aufzulösen und eine viel sinnvollere Haltung einzunehmen. Nämlich eine, die sich auf alle Menschen bezieht. Meiner Familie der Psychiatrieerfahrenen möchte ich entwachsen und mich allen Menschen zuwenden, auch wenn ich da viel weniger äußere Bedeutung habe und mit meinen Schwächen permanent konfrontiert werde. Meine Jagd nach Anerkennung und Erfolg hat durch die Hingabe an dich ihr Ende gefunden. 

Ich möchte mich nicht den Ideen anderer unterordnen, wie man zu dir kommen kann, obwohl mir diese sehr einleuchten. Ich muss mein eigenes Tempo finden, um der Christ zu sein, der ich werden will. Gott will nicht, dass ich mich unter Druck setze. Ich kenne mein Ziel und bin auf dem Weg. Mein Recoveryweg hat sich erweitert zu einem spirituellen Weg als bekennender Christ. 

Wenn ich mich mit Kirche auseinandersetze, möchte ich überkonfessionell denken und nicht als evangelischer Christ. Kirche soll für mich die Gemeinschaft aller Christen sein. Ich wünsche mir Einheit und das Ende der Auseinandersetzung mit Dogmen. Ich will mich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Christen besinnen und das ist die Liebe Gottes, die er auch ganz individuell für mich hat, der Liebe, die ich für Gott empfinde und die Nachfolge Jesu. Ich hoffe, dass diese Einheit zu einer besseren Welt führt und möchte mich nicht mit dem Warten auf die Apokalypse und das kommende Reich Gottes begnügen. Jetzt brauchen wir den Christusgeist unter uns, der jetzt schon zur Reduzierung von Leiden und Gewalt führen soll. 

Es ist abzuwarten was dieser Sinneswandel in mir bewegt. Ob es mir gelingt damit bei mir eine Wesensänderung zu erreichen. Schön wäre es auch, wenn dies auch die Menschen um mich herum bemerken würden, aber das soll nicht an erster Stelle stehen. Die Liebesbeziehung zu Gott ist zentral, nicht mein persönlicher Profit. Aber die ersten Anzeichen spüre ich schon und auch das macht mich froh und dankbar. 

Amen 

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